Interview 2013


IM INTERVIEW: Dr. Dietmar Schuth äußert sich im Gespräch mit Jürgen Gruler von der Schwetzinger Zeitung über das Faszinierende an der Farbe Blau und seine Ziele mit dem Verein „Blau e.V.“

Dietmar Schuth leitet als Kunsthistoriker Studienreisen in ferne Länder, sorgt als Künstlerischer Leiter des Schwetzinger Kunstvereins für hochklassige Ausstellungen in der Orangerie und im Palais Hirsch und er hat eine besondere Leidenschaft. Er ist der Farbe Blau verfallen, mehr als 1500 Kunstwerke dieser Farbe sind in seinem Besitz und er sucht nach Verbündeten und Sponsoren für einen großen Traum: ein Museum für die Farbe Blau.

Sie haben den Verein Blau e. V. gegründet. Was soll das? Warum nicht Rot oder Grün e. V.?

Dr.   Dietmar   Schuth: Rot und Grün sind auch sehr interessante Farben, doch Blau ist einfach etwas Besonderes. Schließlich bezeichnen die meisten Menschen auf der Welt Blau als ihre Lieblingsfarbe. Nur so lässt sich zum Beispiel der große Erfolg der legendären Ausstellung “Blau – Farbe der Ferne” erklären, die Hans Gercke 1990 im Heidelberger Kunstverein veranstaltet hatte. Ich war damals gerade mit meinem Magister fertig, und durfte bei diesem Projekt erste Berufserfahrungen sammeln. Über 125. 000 Besucher haben uns damals sehr überrascht, ja überwältigt. Seitdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen, so dass ich darüber 1995 in meinem Fach Kunstgeschichte promoviert habe und seit zehn Jahren an einem dicken Lexikon der Farbe Blau arbeite, das kurz vor seiner Vollendung steht. Schließlich kam die Idee auf, der Farbe Blau ein eigenes Museum einzurichten, um der Welt die kunst- und kulturhistorische Bedeutung dieser Farbe zu erzählen.   2009 hat sich in Schwetzingen unser Verein gegründet, der dieses weltweit einzigartige Museum realisieren will und bereits etwa 50 Mitglieder aus ganz Deutschland zählt, darunter auch Professor Hans Gercke, der dem Kuratorium vorsteht.

Was macht die Farbe Blau mit Menschen wie Ihnen oder mit uns allen?

Schuth: Psychologisch betrachtet gilt Blau als eine ruhige und meditative Farbe, als ein ,reizendes Nichts’, wie schon Goethe sagte, das wir gerne anschauen, weil es vor uns flieht. Rot hingegen ist offensiv, extrovertiert, sinnlich, aggressiv. Blau steht stattdessen schüchtern und verträumt an der Wand und schaut uns mit rätselhaften Blicken an – sinnbildlich gesprochen. All das erklärt sich durch die Physiologie des menschlichen Auges, dessen Netzhaut primär auf die hellen Farben Rot und Gelb eingerichtet ist und für Blau und Grün weit weniger Energie aufwendet. So erscheint uns Blau als eher kalt und fern, entrückt und etwas unscharf, ja fast irreal. Zufälligerweise besitzt unser Planet eine blaue Himmelsatmosphäre, so dass sich diese physiologischen Eigenarten als Naturerfahrungen bestätigen. Blau ist die nicht greifbare und deshalb auch mental kaum begreifbare Farbe von Himmel und Wasser. Blau besitzt Geheimnis, lässt träumen und inspiriert auch transzendentale Gedanken wie keine andere Farbe.

Sammeln Sie selbst blaue Kunstwerke und wie kamen Sie darauf?

Schuth: Etwa 1000 Stichworte füllen mein Lexikon der Farbe Blau, die alle illustriert sein wollen. Deshalb habe ich in den letzten Jahren damit begonnen, blaue Dinge zu erwerben, damit ich mit eigenen Fotos arbeiten kann. Diese Sammlung ist mittlerweile auf über 1500 Positionen angewachsen und wird laufend durch Schenkungen, Stiftungen und Leihgaben erweitert. Highlights der Sammlung sind sicherlich die Objekte rund um das Thema Lapislazuli, aus dem man früher das schönste und wertvollste Blaupigment (Ultramarin) hergestellt hat. So stehen echte Steine und Schmuckstücke aus afghanischem Lapislazuli neben alten persischen Miniaturmalereien mit natürlichem Ultramarinpigment. Synthetisches Ultramarin wurde vor allem durch den französischen Künstler Yves Klein bekannt, der mit einem großen Glas originalem International-Klein-Blue vertreten ist. Hinzu kommen Kunstwerke bedeutender Künstler wie Hans Peter Reuter, Achim Freyer oder Stefan Pietryga, die dem Blau-Verein ultramarinblaue Kunstwerke geschenkt haben. Viele andere Highlights ließen sich beleuchten, wie zum Beispiel eine fast vollständige Sammlung alter Stiche aller blau blühenden Blumen Mitteleuropas. Besonders stolz bin ich auf 50 alte Single-Schallplatten mit Liedern zum Thema Blau, die von melancholischen Liebesliedern und Bluessongs bis zu teutonischen Saufliedern reichen. Doch will ich nicht zu viel verraten, da wir ja auch neugierig machen wollen.

Sie streben also ein eigenes Museum an. Was fehlt Ihnen dazu noch?

Schuth: … Wir alle im Verein arbeiten ehrenamtlich, idealistisch und finden neben unseren Berufen Zeit für dieses Projekt, das uns sehr begeistert. Ich persönlich bringe mein Wissen und meine Sammlung ein, die ich schon jetzt dem Verein übergeben habe. Auch das Lexikon wird dem Verein mit allen Rechten und Erlösen überlassen. Das allein aber genügt natürlich nicht. Bis jetzt ist das Museum noch ein blaues Luftschloss. Wir brauchen viele neue Vereinsmitglieder und vor allem Partner, die uns helfen, ein Gebäude zu renovieren und ein Museum zu realisieren, das die Welt so noch nicht gesehen hat.
© Schwetzinger Zeitung, Freitag, 12.07.2013